NEUE GOVERNANCE-FORMEN

Mit Blick auf das Leitthema „Neue Governance-Formen" setzt das iaw seine Forschung zu institutionellen Formen und Mechanismen gesellschaftlicher Steuerung, Regulierung und Koordination in den Mittelpunkt. Diese analytische Perspektive wurde während der vergangenen Jahre nicht nur im Hinblick auf das Erwerbssystem verfolgt, sondern auch auf andere gesellschaftliche Funktionsbereiche - Entwicklung wirtschaftlicher und sozialer Strukturen, Funktionsprobleme des politisch-administrativen Systems - ausgeweitet.

Im Zuge der gravierenden gesellschaftlichen Umbrüche der letzten Dekaden wurden und werden herkömmliche Formen der gesellschaftlichen Handlungssteuerung, -regulierung und -koordination in vielfacher Hinsicht in Frage gestellt. Infolgedessen bilden sich vielfältige „neue Governanceformen“ heraus. Dies gilt für die Systeme der sozialen Sicherung und das politische Institutionensystem, ebenso wie für das Wirtschafts- oder Arbeits(markt)system.

Zunächst schien diese Entwicklung vor allem zu einer umfassenden „Ökonomisierung“ oder „Vermarktlichung“ gesellschaftlicher Beziehungen und Funktionen zu führen. Zwischenzeitlich deuten etliche Indizien allerdings darauf hin, dass die Entwicklung und Durchsetzung marktförmig-wettbewerbsorientierter Prinzipien ins stoppen geraten ist. In jüngster Zeit kommt es offensichtlich zu einer Renaissance staatlicher und zivilgesellschaftlicher Steuerungs- und Regulierungsmechanismen. Intensiviert wird diese Renaissance insbesondere durch die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise, die auch als Konsequenz einer weltweit deregulierten Governancestruktur zu verstehen ist.

Forschungsperspektiven
Die Forschungsperspektive des iaw richtet sich in diesem Zusammenhang auf die neu entstehenden Formen gesellschaftlicher Steuerung, Regulierung und Koordination auf transnationaler, nationaler sowie auf lokaler Ebene. Dabei geht es um die Beobachtung und Analyse stattfindender Entwicklungen und deren intendierte und nicht intendierte Folgen. Die Prozesse in verschiedenen gesellschaftlichen Funktionsbereichen sollen erfasst und ihre Konsequenzen für das Handeln der relevanten Akteure aufgezeigt werden.

Ausgangshypothese ist dabei, dass sich im Zuge der Veränderung gesellschaftlicher Konstellationen die bisherigen Beziehungsgeflechte zwischen staatlichen oder nichtstaatlichen Institutionen, Verbänden, Initiativen, Gruppen oder engagierten Bürgern in unterschiedlichen Handlungsfeldern ebenso verändern wie die Relationen zwischen Organisationen, gesellschaftlichen Gruppen und Akteuren.

Fragestellungen und Forschungspraxis
Vor dem Hintergrund dieser Zustandsbeschreibung geht das iaw in seinen Forschungsfeldern Wirtschaft und Unternehmen, Arbeitssystem und Arbeitskultur sowie Stadt und Region insbesondere folgenden Fragestellungen nach:    

  • Welche konkreten Ausprägungen nehmen die neuen Mischungen aus marktförmigen, hierarchischen und verhandlungs- und vertrauensbasierten Formen der Handlungskoordination jeweils an?
  • In welchen Bereichen bzw. unter welchen Rahmenbedingungen entwickeln sich diese?
  • Wie wirkt sich das auf gesellschaftliche Anpassungs- und Modernisierungsprozesse aus?

 

Das iaw ist einer Forschungspraxis verpflichtet, die die Aufarbeitung und Fortentwicklung des wissenschaftlichen Erkenntnisstandes zugleich als Grundlage wissenschaftlich fundierter Dienstleistungen für Akteure in Betrieben, Politik und Gesellschaft versteht. Eine wesentliche Voraussetzung für die Relevanz und den Nutzen einer auf Praxis, Beratung und Politik orientierten Arbeiten ist ein umfassendes Verständnis von Handlungsbedingungen und -optionen der verschiedenen Akteure. Denn gerade in komplexen Veränderungsprozessen sind Erklärungen, die sozialen Akteure kluges Handeln und Entscheiden ermöglichen, notwendig und hilfreich.

Das Leitthema „Neue Governanceformen“ wird in diesem Sinne nicht nur die wissenschaftlichen Kompetenzen und Kapazitäten am iaw stärker bündeln und konzentrieren. Es werden vielmehr auch inhaltliche Erkenntnisse und Ergebnisse genutzt, um die Expertise in der Beratung verschiedener Akteursgruppen in Unternehmen, Institutionen, Gesellschaft und Politik weiter zu entwickeln und zu optimieren.